Felix Kleins Idee - Rockefellers Geld
Als das "Göttinger Tageblatt" am 4. Dezember 1929 über die "Einweihung des Mathematischen Instituts" berichtete, lautete die politische Schlagzeile: "Kassenschwierigkeiten des Reiches". Fünf Banken hatten gerade ihre Schalter geschlossen, zwei Überseefirmen in Hamburg und eine Maschinenfabrik in Kassel zugleich ihre Zahlungen eingestellt. Der Staat verhandelte "zur Befriedigung seiner Geldbedürfnisse" um Bankkredite. Gegen eine Zahlung von 500 Millionen Mark hatte das Reich dem schwedischen Fabrikanten Kreuger ein Zündholzmonopol eingeräumt.
Angesichts solch schwieriger Finanzlage scheint es denn doch kaum verwunderlich, wenn die gleiche Zeitung am 12. November 1929 unter der Überschrift "Das neue Mathematische Institut - Felix Kleins Idee - Rockefellers Geld" schreibt:
"So absurd es erscheinen mag: der preußische Staat hat keinesfalls mit beiden Händen nach dem in Aussicht gestellten Geschenk gegriffen, weil er bei der Annahme der Stiftung die Verpflichtung übernahm, für die Instandhaltung und Unterhaltung des Instituts Sorge zu tragen, die weit höhere Kosten verursachten, als bislang für die Göttinger mathematische Fakultät verausgabt werden mußten.
Wenn er sich schließlich zur Annahme der Stiftung bereiterklärte, so geschah es wohl in der Erkenntnis, daß die Schenkung eine Anerkennung des deutschen Forschungsgeistes darstellte und weiter, daß die erhöhten Kosten, weil sie eine bessere wissenschaftliche Ausbildung der akademischen Jugend ermöglichen und weil die Erfolge und Ergebnisse der mathematischen Forschertätigkeit der deutschen Wirtschaft und Industrie, mit der sie durch mancherlei Beziehungen eng verbunden ist, zugute kommen würden, vielfältige Zinsen bringen würden."
In seiner Schilderung des neuen Mathematischen Instituts stellt das "Göttinger Tageblatt" am 12. November 1929 fest, es sei dem Baumeister gelungen, einen Bau zu errichten, der alle modernen Bedürfnisse befriedige und der bei Vermeidung allen überflüssigen Komforts so gediegen ausgeführt sei, daß die späteren laufenden Instandhaltungskosten auf ein Minimum beschränkt blieben. "... die Vorlesungsräume, die Lesezimmer und die Bibliothek, die Modellsammlung, verschiedene Räume für auswärtige Gelehrte, die vorübergehend in Göttingen weilen und im Mathematischen Institut arbeiten wollen, das Auditorium maximum und der Sitzungssaal der Mathematischen Gesellschaft. Alle Räume sind in hellen Farben gehalten und zweckdienlich eingerichtet: durch große Fenster haben Licht und Luft ungehinderten Zutritt. Mit besonderer Liebe ist der Sitzungssaal der Mathematischen Gesellschaft gestaltet worden, eine ansprechende Holzbekleidung nimmt dem Raum den Charakter einer nüchternen Forscherstätte ... Im Lesezimmer, das mit einer kaukasischen Nußbaumholzverkleidung versehen ist, befindet sich die reichhaltige Bibliothek des Instituts ... das eine Zierde der Universität ... und eine würdige Forscherstätte für Gelehrte und eine Studienstätte für die Studenten ist." Die Bibliothek des Mathematischen Instituts in Göttingen gilt noch heute als eine der bedeutendsten der Welt.