Erich Hecke (1887-1947)
Erich Hecke wurde in Buk bei Posen (jetzt Poznan, Polen) am 20. September 1887 geboren. Er studierte von 1905 bis 1910 in Breslau, Berlin und Göttingen. In Berlin studierte er hauptsächlich bei Edmund Landau, der selbst 1909 nach Göttingen kam. Hecke promovierte 1910 bei Hilbert und habilitierte sich 1912. Zwischen 1910 und 1912 war er Assistent bei Hilbert und Klein, nach 1912 Privatdozent bis er 1915 auf eine Professur in Basel berufen wurde. 1918 nahm er einen Ruf nach Göttingen zurück an, aber im darauffolgenden Jahr ging er an die neugegründete Universität in Hamburg. Während des Kriegs erkrankte er an einem Krebsleiden und mußte operiert werden. Um ihm die Strapazen im Nachkriegsdeutschlands zu ersparen, luden ihn seine dänischen Freunde nach Kopenhagen ein, wo er am 13. Februar 1947 starb.
Heckes Doktorarbeit und Habilitationsschrift behandeln den sogenannten "Kroneckerschen Jugendtraum". Kronecker hatte die Vorstellung gehabt, daß man die abelschen Erweiterungskörper eines algebraischen Zahlkörpers durch Adjunktion von speziellen Werten gewisser analytischer Funktionen erzeugen könnte. Er starb 1891, bevor er seine Ideen voll ausgearbeitet hatte. Hilbert nahm diese Frage auf; seine Schüler Blumenthal, Fueter und Hecke drängten soweit vorwärts, wie es zu jener Zeit möglich war. Ihre Ergebnisse sind nicht völlig zufriedenstellend, und beinhalten sogar einige gravierende Fehler; jedoch mußten etwa fünfzig Jahre vergehen, bevor die Mathematik den Entwicklungsstand erreicht hatte, damit diese Fragen richtig gestellt und geantwortet werden konnten. Insbesondere soll hier der in Princeton arbeitende G. Shimura erwähnt werden, der in einer langen Reihe von Veröffentlichungen den Kroneckerschen Jugendtraum zum großen Teil realisiert hat.
Hecke wurde von diesen Überlegungen zu einigen Fragen der analytischen Zahlentheorie geführt. R. Dedekind hatte jedem Zahlkörper eine analytische Funktion zugeordnet, welche für den Körper der rationalen Zahlen die Riemannsche Zetafunktion wird. Diese neue Funktion heißt heute die "Dedekindsche Zetafunktion" des Zahlkörpers. Im neunzehnten Jahrhundert war relativ wenig über die Eigenschaften dieser Funktionen bekannt; für die Zwecke der Klassenkörpertheorie behalf man sich mit einigen Tricks, die gerade für die Anwendungen ausreichten. Es gelang Hecke, die analytische Fortsetzung dieser Funktionen mit sehr natürlichen (aber technisch schwierigen) Mitteln durchzuführen. Er konnte dadurch einige Beweise in der Klassenkörpertheorie wesentlich vereinfachen. Sein Beweis führte ihn auch zu dem Begriff eines "Größencharakters", der eine weitgehende Verallgemeinerung eines Dirichletschen Charakters darstellt. Er konnte auch die analytische Fortsetzung der zugeordneten L-Reihen beweisen. Diese L-Reihen haben sich als sehr wichtig für die höhere Zahlentheorie erwiesen.
Hecke wurde durch diese Untersuchungen zu der Theorie der Modulformen geleitet.Er konstruierte zum ersten Mal Modulformen, die indefiniten quadratischen Formen zugeordnet sind. Er untersuchte systematisch die Beziehungen zwischen quadratischen Formen und Modulformen. C.L. Siegel entwickelte die Theorie wesentlich weiter, und die daraus entstandene Theorie ist einer der Höhepunkte der analytischen Zahlentheorie und heute Gegenstand aktiver aktueller Untersuchungen.
Im Verlauf seiner Untersuchungen entdeckte Hecke eine kommutative Algebra von Operatoren, die auf linearen Räumen von Modulformen operieren. Hecke zeigte auch, daß einer Form, die Eigenvektor unter diese Algebra ist, eine Art L-Reihe zugeordnet werden kann, die ein Euler-Produkt und eine analytische Fortsetzung besitzt. Ein Spezialfall wurde schon fast zwanzig Jahre früher von Ramanujan vermutet und von Mordell bewiesen. Hecke scheint von deren Arbeit nichts gewußt zu haben, und seine Ergebnisse sind viel allgemeiner. Hecke hat auch gezeigt, daß umgekehrt zu einer Dirichlet-Reihe mit Euler-Produkt, analytischer Fortsetzung und Funktionalgleichung eine Modulform konstruiert werden kann, die der Dirichlet-Reihe nach dem oben erwähnten Verfahren entspricht. Deshalb gibt es eine direkte Korrespondenz zwischen einer Klasse von Dirichlet-Reihen und gewissen Modulformen, die Eigenvektoren der Algebra der Hecke-Operatoren sind. Diese Entdeckung hat sehr weitreichende Konsequenzen und ist der Kern der modernen Theorie der automorphen Formen und ihrer Beziehungen zur Zahlentheorie und der algebraischen Geometrie.