Mathematik an der Universität Göttingen
Suche

Bild
Caratheodory

Constantin Carathéodory (1873-1950)





Historisches


Historische Persönlichkeiten Göttingens in der Mathematik

Constantin Carathéodory

Constantin Carathéodory (13.9.1873 - 2.2.1950) als Sohn eines türkischen Botschaftsattaches in Berlin geboren, hatte ein reich bewegtes Leben. Er entstammte einer alten griechischen, seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Konstantinopel ansässigen Familie, welche eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten im Diplomatischen Dienst und der Verwaltung des türkischen Reiches hervorgebracht hatte. Nach dem Besuch der höheren Schule und der Ecole militaire in Brüssel, wohin sein Vater inzwischen versetzt worden war, fand er zunächst eine Stellung als Ingenieur bei der Nilregulierung in Ägypten. Um die Jahrhundertwende entschloss er sich, seinen gesicherten und erfolgversprechenden Beruf aufzugeben und seine große Neigung, die Mathematik, zu studieren, zunächst in Berlin, dann in Göttingen, wo er 1904 bei Minkowski über Variationsrechnung promovierte. Auf Drängen von Hilbert und Klein entschloss sich Carathéodory, entgegen seinen ursprünglichen Plänen, in Göttingen zu habilitieren, was bereits ein Jahr später geschah, ebenfalls wieder mit einer Arbeit aus der Variationsrechnung. 1909 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die TH Hannover, ein Jahr später nach Breslau, kam 1913 als Nachfolger Felix Kleins nach Göttingen und ging 1918 nach Berlin. Als nach Beendigung des ersten Weltkrieges Territorien in Kleinasien an Griechenland fielen, entschloss sich die griechische Regierung zur Gründung einer Universität in Smyrna, zu deren Ausgestaltung man Carathéodory berief. Nur kurze Zeit später, 1922, wurde Smyrna von den Türken besetzt und Carathéodory musste nach Athen fliehen. Zwei Jahre später erhielt er einen Ruf an die Universität München, wo er bis zum Ende des zweiten Weltkrieges wirkte. Zahlreiche Mitgliedschaften in mathematischen Gesellschaften und Akademien des In- und Auslands bezeugen die große Achtung, die er genoss.

In seinem mathematischen Wirken fällt die Vielseitigkeit auf, wobei vor allem drei Hauptarbeitsgebiete zu nennen sind: die reellen Funktionen mit der Maßtheorie, die Variationsrechnung sowie die Funktionentheorie einer und mehrerer Veränderlicher. Der Carathéodorysche Existenz- und Ausdehnungssatz für die Maße fehlt heute in keiner Vorlesung über Maßtheorie, und die nun übliche axiomatische Einführung des Maßbegriffs geht in vielen Teilen auf ihn zurück. In der Variationsrechnung hat Carathéodory eine Vielzahl von wichtigen Arbeiten publiziert bis hin zu Anwendungen in der Optik und Mechanik. In der komplexen Analysis spielt heute die Carathéodory-Metrik eine wichtige Rolle, und in der Funktionentheorie einer Veränderlichen sei als ein Beispiel seiner Beiträge seine Theorie der Primenden erwähnt, durch welche die Frage der allgemeinsten Struktur der Begrenzung einfach zusammenhängender Gebiete in der Ebene und ihrer Abbildung auf die Kreisperipherie gelöst wird.