22. Uniformisirung analytischer Beziehungen mittelst automorpher Functionen. (David Hilbert)

Wie Poincaré zuerst bewiesen hat, gelingt die Uniformisirung einer beliebigen algebraischen Beziehung zwischen zwei Variabeln stets durch automorphe Functionen einer Variabeln; d. h. wenn eine beliebige algebraische Gleichung zwischen zwei Variabeln vorgelegt ist, so lassen sich für dieselben stets solche eindeutigen automorphen Functionen einer Variabeln finden, nach deren Einsetzung die algebraische Gleichung identisch in dieser Variabeln erfüllt ist. Die Verallgemeinerung dieses fundamentalen Satzes auf nicht algebraische, sondern beliebige analytische Beziehungen zwischen zwei Variabeln hat Poincaré {Bulletin de la Société Mathématique de France XI. 1883} ebenfalls mit Erfolg in Angriff genommen und zwar auf einem völlig anderen Wege als derjenige war, der ihn bei dem anfangs genannten speciellen Probleme zum Ziele führte. Aus Poincarés Beweis für die Möglichkeit der Uniformisirung einer beliebigen analytischen Beziehung zwischen zwei Variabeln geht jedoch noch nicht hervor, ob es möglich ist, die eindeutigen Functionen der neuen Variabeln so zu wählen, daß, während diese Variabele das reguläre Gebiet jener Functionen durchläuft, auch wirklich die Gesamtheit aller regulären Stellen des vorgelegten, analytischen Gebildes zur Darstellung gelangt. Vielmehr scheinen in Poincarés Untersuchungen, abgesehen von den Verzweigungspunkten, noch gewisse andere im Allgemeinen unendlichviele diskrete Stellen vorgelegten analytischen Gebildes ausgenommen zu sein, zu denen man nur gelangt, indem man die neue Variable gewissen Grenzstellen der Functionen nähert. Eine Klärung und Lösung dieser Schwierigkeit scheint mir in Anbetracht der fundamentalen Bedeutung der Poincaréschen Fragestellung äußerst wünschenswert.


Hilbert's Problems, English.   Hilberts Probleme, deutsch.


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